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Brasiliens Fußball-Kultur im Abseits - O-Ton Rita Santos

Pommes rot-weiß, Currywurst und ein Bier – das gehört für Fußball-Fans in Deutschland zum Live-Erlebnis im Stadion. Auch in Brasilien gibt es einen solchen Snack: Acarajé – Bällchen aus Bohnenmus und Krabben, frittiert in Palmöl. Frauen, die Baiana genannt werden, stellen den Snack an fast jeder Straßenecke in Salvador frisch her. Unverkennbar dank der bunten, ausladenden Kleider: ihre afrikanischen Wurzeln, auf die sie sehr stolz sind. Doch den Baianas droht Ungemach, wie auch den anderen Kleinhändlern und -verkäufern rund um die Stadien: Die Fifa-Regeln lassen ihnen keinen Platz. In der Bannmeile rund um die WM-Stadien dürfen die Sponsoren Kasse machen. Sie haben sich millionenschwer eingekauft. Die kleinen Händler und die Snack-Köchinnen bleiben Zaungäste. Für sie gibt es keinen Platz. Doch eine Initiative, unterstützt über den Kleinprojektefonds von Brot für die Welt, hat einen kleinen Sieg errungen: Einige Baianas dürfen auch während der WM vor dem Stadion in Salvador Acarajé verkaufen.

03:30 | 15.04.2014

"Mein Name ist Rita Santos. Ich bin nationale Koordinatorin der ABAM, des nationalen Verbandes der Acarajé-Baianas. Nicht nur die Baianas, sondern alle im Land, hatten viele Erwartungen und Hoffnungen in Bezug auf die in Brasilien und hier in Salvador stattfindende Fußballmeisterschaft. Viele glaubten, daran verdienen zu können. Doch wir wissen, dass die Realität anders aussieht.

Natürlich werden einige Profit erzielen, andere nicht. Vor allem die kleineren Händler werden nicht den Profit machen, den sie sich erhofft haben. Und die Baianas gehören zu dieser Gruppe.

Erstens erhöhen die Lieferanten wegen der Weltmeisterschaft die Preise der von uns benötigten Zutaten. Wir haben kein Kapital, um im Voraus zu investieren, um Lagerhaltung zu betreiben und während der Weltmeisterschaft mit diesen Waren zu arbeiten.

Vor einem Monat kosteten die Shrimps 20,00 Reais, heute liegen sie bei 34,00 Reais. Stellen Sie sich vor, wenn erst die Weltmeisterschaft anfängt… Keine von uns hat Kapital, um zu investieren und die Zutaten zu lagern. Wenn die Weltmeisterschaft anfängt, werden diese Waren teuer sein, wir werden sie dann kaufen müssen und der Preis der Shrimps wird nicht subventioniert. Wir werden nicht viel verkaufen können, richtig? Wir werden also nicht viel Profit machen.

Wenn die Leute glauben, sie könnten übermäßigen Gewinn machen - den wird es nicht geben. Klar wird es sich verkaufen, aber nicht so viel, als dass der erhoffte Gewinn gemacht werden könnte. Der Standard der FIFA… Wenn du alles machst, was die FIFA verlangt, musst du eine Reihe von Sachen erfüllen, du musst investieren. Sie möchten Qualität - und wir werden nicht den dafür nötigen Gewinn haben, vor allem, da alle Waren eine Preiserhöhung durchmachen werden. Und wir werden nicht subventioniert werden - nicht von der Regierung des Bundesstaates, nicht von der Stadtverwaltung, keine Bank wird uns ein Darlehen geben, damit wir kaufen und einlagern können, um während der Weltmeisterschaft verkaufen zu können.

Es wird also nicht diesen Gewinn geben, den sich die Baianas erhoffen - und auch kleine Verkäufer, die denken, dass sie viel Gewinn machen werden - sie werden es nicht!

Die Acarajé-Baianas waren die ersten unternehmerisch tätigen Frauen dieses Landes. Vor mehr als 300 Jahren fingen sie an zu verkaufen. Das wurde von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Heute gibt es Baianas, die mit dem Einkommen aus dem traditionellen Acarajé-Verkauf überleben können, den Unterhalt für Kinder und Enkel mit diesem Verkauf finanzieren können.

Für uns ist also wichtig, die Kultur zu erhalten, dieses Vermächtnis für die Nachfahren der Afrikaner zu bewahren - denn die Mehrheit dieser Frauen hat keinen Ehemann, kein anderes Einkommen, sie überleben mit dem traditionellen Acarajé-Verkauf, mit dem sie zum Schulgeld beisteuern, die Miete zahlen, Enkel durchbringen - die Mehrheit von ihnen bringt ihre Enkel mit dem Erlös aus dem traditionellen Acarajé-Verkauf durch.

Also, für was setzen wir uns ein? Dafür, diese Frauen im traditionellen Acarajé-Verkauf zu halten, ihnen eine bessere Lebensqualität zu geben und auch die Kultur zu erhalten, denn das ist das wichtigste. Unsere Vorfahren haben hart gearbeitet, damit Acarajé die Bekanntheit erlangte, die es heute hat. Deshalb müssen wir Acarajé mehr und mehr bewahren. Und nicht nur Acarajé, das Handwerk an sich, die Baiana, Acarajé, den traditionellen Acarajé-Verkauf - für das alles müssen wir uns einsetzen, es zu bewahren. Deshalb hatten wir die Auseinandersetzung mit der FIFA. Denn es wäre respektlos gewesen, die Frauen, die seit mehr als 60 Jahren dort arbeiten, aus der Arena zu holen. Deshalb haben wir so gestritten. Denn dort drinnen waren Baianas, die seit mehr als 60 Jahren dort verkaufen. Und es wäre respektlos gewesen, diese Frauen jetzt wegen der FIFA da heraus zu holen. Alle sollen die gleichen Rechte haben!"

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Autor: Brot für die Welt/Niko Wald
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